Vom Abstrakten ins Praktische kommen – das ist das Ansinnen des Albert-Schweitzer-Familienwerks Brandenburg e.V. als der Verein das Projekt „Partizipation im Kitaalltag“ ins Leben ruft. Denn: Teilhabe in der Kinderbetreuung steht schon länger im Gesetz geschrieben. Nur wie die schwammigen Formulierungen im Alltag aussehen können, bleibt oft unklar. Mithilfe eines Fach-Coachings haben die Horte Kinderwelt und Lausitzer Haus des Lernens sowie die Kitas Schwarze Pumpe, Groß Luja, Graustein und Sellessen Haidemühl ihre Rituale und Gewohnheiten auf den Prüfstand gestellt.

„Die Rolle der Erziehungsfachkräfte hat sich gewandelt“

„Die Rolle der Erziehungsfachkräfte und auch ihr Selbstverständnis haben sich gewandelt“, sagt Kitakoordinatorin Julia Münzberg. „Wir folgen der Bewegung: weg vom Diktieren und Gehorchen, hin zum selbstbestimmten Handeln mit gemeinsamen Entscheidungen – auch mit dem Tragen der Konsequenzen. Die Pädagoginnen und Pädagogen übernehmen dabei die Rolle des liebevollen Anleiters statt die des Vorgebers.“ Während des sechsmonatigen Projektes haben die Kitateams mit der Fachberaterin Sabine Radtke (Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin e.V.) vor Ort und in Workshops reflektiert, wie sie Kinder und Eltern beim Miteinander möglichst aktiv einbinden können. Vorteile hat das viele: Die Kinder lernen, dass sie eine Stimme haben, die zählt und gehört wird, wie sie ihre Meinung ausdrücken und Entscheidungen in der Gruppe treffen – demokratische Grundwerte, die gleichzeitig soziale Fertigkeiten schulen.

Kinder lernen, dass sie eine Stimme haben, die gehört wird

Übersetzt sieht das zum Beispiel so aus: Die Sommerausflüge in der ASF Kita Groß Luja können die Kinder durch Mehrheitsbeschluss festlegen – kindgerecht durch die Abstimmung mittels Ablegens von Ü-Eiern auf entsprechende Schaubilder. In einer „Kinderkonferenz“ beschließen sie, welche Spielzeuge in der Woche im Gruppenraum ausliegen. In der Kita Kinderland in Schwarze Pumpe hingegen steht ein Wunschbaum, an dem die Kinder Wünsche für ihren Kitaalltag hängen können. Auch beim Essen wird auf das Erleben von Selbstwirksamkeit gesetzt: Im Kinderrestaurant bereiten die Gruppen ihre Mahlzeit so weit wie möglich eigenhändig zu; im Anschluss darf das Essen auf einer Schautafel bewertet werden.

Kai Noack, Geschäftsführer des Albert-Schweitzer-Familienwerks Brandenburg e.V.: „Als Träger stehen wir und unsere Einrichtungen für ein Aufwachsen, bei dem Kinder im geschützten Rahmen in ihre Rolle als selbstbestimmter Mensch reinwachsen dürfen. Dafür geben wir den Fachkräften Raum und Zeit, ihre Arbeit regelmäßig zu reflektieren und sich zu fragen: An welchen Stellschrauben können wir die uns anvertrauten Kinder noch besser fördern? Mit dem erfolgreichen Abschluss des Projekts haben wir ein paar Good-Practice-Beispiele und Impulse geschaffen, wie Teilhabe und Demokratie auch schon im Kindergarten gelebt werden kann.“

Ihre Ideen, Erfahrungen und bereits umgesetzten Projekte haben die Kita und Horte des Albert-Schweitzer-Familienwerks Brandenburg gesammelt. Alle interessierten Fachkräfte aus dem Kita- und Hortbereich und Eltern des Landkreises Spree-Neiße waren eingeladen sich bei einem digitalen Fachtag dem Thema zu öffnen und zu diskutieren. Demokratie leben und einüben – das beginnt eben auch in der Kita. Allerdings nur dann, wenn wir mutig genug sind, es zuzulassen.

Finanziert wurde das Projekt „perle – Perspektiven erleben.“ der Stadt Spremberg im Zuge des Bundesprogramms „Demokratie leben!“

www.perspektiven-spremberg.de

Was hat uns gut geschmeckt und was eher nicht? In der Kita Kinderland in Schwarze Pumpe beginnt gelebte Mitbestimmung schon beim Mittagessen.

In der ASF Kita Groß Luja können die Kinder selbst entscheiden, was sie zu ihrem Herbstfest erleben wollen.